Interview mit Frank Thelen, Tech-Investor
Frank Thelen ist einer der bekanntesten Tech-Investoren Deutschlands. Vor kurzem machte er mit kritischen Aussagen zur Zukunft der Autobranche auf sich aufmerksam. These: Die deutschen Hersteller haben keine Zukunft. Im Interview spricht Thelen über den Wettbewerb mit Tesla und die Vorteile von Elektroautos. Das Gespräch ist Auftakt zu einer neuen Serie, in der wir mit unabhängigen Köpfen über die Zukunft der Mobilität diskutieren.
Vor kurzem haben Sie die deutsche Autoindustrie mit düsteren Prognosen geschockt – auch uns bei Volkswagen. Was machen die Unternehmen aus Ihrer Sicht falsch?
Meine Kritik kommt aus einer gewissen Frustration. Ich wünsche mir ein starkes Europa mit starken Konzernen und erfolgreichen Hidden Champions. Gerade in der Autobranche sehe ich aber große Parallelen zum Niedergang der Fotoindustrie. Unternehmen wie Agfa, Kodak und Fujifilm hatten ihr stabiles Geschäft und haben dann die Digitalisierung verschlafen. Am Ende hatten sie das digitale Foto zu 100 Prozent verloren.
Wir haben nicht den Eindruck, dass die deutschen Autohersteller schlafen. Volkswagen investiert binnen fünf Jahren 60 Mrd. Euro in Zukunftstechnologien – in E-Mobilität, Digitalisierung, Hybridisierung.
Es geht nicht um Milliarden-Beträge, sondern um First-Principle-Thinking, wie wir es von Elon Musk kennen. In Zukunft ist es egal, wie ein Verbrennungsmotor funktioniert. Die Frage ist: Wer hat die beste und günstigste Batterie, den besten E-Antrieb, die meisten Daten, die leistungsfähigsten Chips, und wer hat eine Ladeinfrastruktur? Wo gibt es denn beispielsweise ein Batterieforschungsprojekt, in dem die deutsche Autoindustrie führend ist?
Da gibt es Beispiele. Mit der US-Firma QuantumScape arbeitet Volkswagen an der Großserienproduktion von Festkörperbatterien. Im vergangenen Jahr wurde in Salzgitter das Center of Excellence eröffnet, wo 300 Experten verbesserte Fertigungsverfahren für Lithium-Ionen-Akkus entwickeln. Und in wenigen Jahren soll ebenfalls in Salzgitter eine Gigafabrik mit der Produktion von Batteriezellen starten…
Das wäre ein super Schritt. Vorausgesetzt, dieses Excellence-Cluster zieht herausragende Talente an und ist mit dem nötigen Budget ausgestattet. Vor kurzem erst habe ich von einem deutschen Autohersteller gehört: Batteriefertigung ist ein Zulieferthema. Das ist eine völlig falsche Denke, weil die Batterie bei einem E-Auto den größten Teil der Wertschöpfung ausmacht. Tesla ist weiter, die bauen ihre dritte Batteriefabrik. Ähnlich sieht es bei den Chips für Self-Driving-Systems aus. Auch da hat Tesla einen riesigen Vorsprung – selbst vor tollen Unternehmen wie Nvidia. Oder reden wir über Ladeinfrastruktur: Wann will die deutsche Autoindustrie etwas anbieten, das dem Super-Charger-Netzwerk von Tesla ebenbürtig ist?
Mit dem Gemeinschaftsunternehmen IONITY bauen mehrere Hersteller gerade ein Schnellladenetz mit 400 Ladeparks an den europäischen Autobahnen auf – komfortabel gelegen auf den Rasthöfen. Das ist auch bei Tesla-Fahrern beliebt. Und mit der We Charge-Karte von Volkswagen kann man an mehr als 100.000 Ladepunkten in Europa laden.
Das ist gut und ich glaube, dass Volkswagen richtige Impulse setzt. Herbert Diess war der erste CEO der deutschen Autoindustrie, der gesagt hat: So wie bisher kann es nicht weitergehen. Fakt ist aber auch: Ein amerikanisches Unternehmen ist zu uns gekommen und hat ein Ladenetz aufgebaut, mit dem ich problemlos durch Deutschland fahren kann. Wir dagegen hatten immer neue Gesprächsrunden, sogar im Kanzleramt. Passiert ist viel zu wenig. Ich hoffe, man kann nachvollziehen, dass mich das frustriert.
Durchaus – trotzdem gibt es Stimmen, die die Lage positiver sehen. Ihr Mit-Löwe Carsten Maschmeyer sagt: Elektroautos aus Deutschland werden führend sein. Können Sie das ebenfalls nachvollziehen?
Ehrlich gesagt – nein. Ich möchte auch weg von diesen pauschalen Aussagen. Ich habe mich konkret und umfangreich dazu positioniert: Was sind die Parameter, die bestimmen, wer der erfolgreichste Autobauer der Welt sein wird?
Wie lautet Ihre Antwort?
Die Elektromobilität kommt. Deshalb muss man fragen: Was sind die entscheidenden Eigenschaften eines E-Autos? Ich sehe die Energiedichte, den Preis der Batterien, die Zahl der Ladezyklen, den E-Antrieb. Dabei schneiden viele deutsche Autos schlecht ab. Ein anderes wichtiges Thema ist autonomes Fahren. Self-Driving ist für mich der Game Changer. Denn auf einmal bekommt das Fahrzeug eine viel höhere Nutzungsfrequenz. Es eignet sich besser für Sharing-Modelle. Das wird ein Sprung wie von der Kutsche zum Auto.
Deutsche Hersteller produzieren Autos in hohen Stückzahlen. Ist das nicht ein großer Vorteil?
Ganz klar – Economies auf Scale spielen eine wichtige Rolle. Und wenn man sieht, wie beispielsweise Volkswagen eine Produktionsstrecke aufbaut, dann ist das heute noch professioneller als bei Tesla. Die Frage ist: Können die deutschen Hersteller ihren Vorsprung halten? Tesla ist wahnsinnig schnell darin, lokale Werke aufzubauen – zum Beispiel in China. In Deutschland passiert gerade das Gleiche. Tesla nutzt vorhandene Vorarbeiten und spart sich mal eben zwei Jahre.
Auch Volkswagen startet in diesem Jahr die E-Auto-Produktion an zwei Standorten in China – Foshan und Anting. Trotzdem würde uns interessieren: Was können Konzerne in puncto Geschwindigkeit von Gründern lernen?
Ich habe da kein einfaches Rezept – und ich habe großen Respekt davor, ein so großes Unternehmen wie Volkswagen zu leiten. Mit 10, 100 oder 500 Leuten kann man natürlich sehr agil reagieren. Aber wenn Ihr überleben wollt, dann muss das auch bei Volkswagen gelingen, zum Beispiel mit getrennten Geschäftseinheiten wie Eurem neuen Software-Bereich.
Mit Ihrer eigenen Firma sind Sie an Start-ups beteiligt, die Flugtaxis und Hyperloop-Systeme entwickeln. Welches Bild von künftiger Mobilität haben Sie im Kopf?
Wir investieren nur in Lösungen ohne Verbrennungsmotor. Der Hyperloop zum Beispiel bezieht die Energie aus Solarpanels. Man reist klimaneutral und extrem schnell – mit bis zu 1.000 km/h. Mit einem anderen Start-up, Lilium, bauen wir einen Jet mit reinem Elektroantrieb. Der startet und landet vertikal – ein großer Pluspunkt in dicht besiedelten Gebieten. Unser Ziel ist es, Städte im Umkreis von 300 Kilometern miteinander zu verbinden.
Das klingt eher nach ferner Zukunft. Welcher Zeitplan ist realistisch?
Der Jet ist technisch fertig. Was uns noch fehlt, ist die Zertifizierung der Behörden in den USA und in Europa. Wir planen, in 2025 mit dem Service zu starten. Bei Hyperloop ist der Aufbau eines Streckennetzes die größte Herausforderung. Mein Wunsch: Das Wirtschaftsministerium sollte 20 - 30 Mrd. Euro für ein Hyperloop-Netzwerk in die Hand nehmen. Damit können wir mehr Städte anbinden als mit dem Zug. Wir haben hier als Europa die Chance, die Hyperloop-Nation zu werden und die Technik weltweit zu exportieren.
Sie haben Elektroautos immer wieder gegen Kritik verteidigt. Warum?
Ich bin davon überzeugt, dass E-Mobilität aktuell die beste Lösung ist – egal ob bei Autos, Rollern, Flugzeugen oder Schiffen. Die Batterietechnik entwickelt sich rasant weiter. Wenn jemand sagt, er hat ein besseres Konzept, dann applaudiere ich und kann mit meinen bescheidenen Mitteln gern investieren. Aber im Moment sehe ich das nicht. Entscheidend ist: Wir müssen aufhören, fossile Brennstoffe zu verbrennen. Mit dem Öl-Zeitalter haben wir einen riesigen Fehler gemacht – den muss die Menschheit schnell korrigieren.
Wie kann man Menschen für E-Mobilität begeistern?
Man kann nur überzeugen, indem man die Wahrheit erzählt: Ja, es gibt noch Probleme – zum Beispiel mit den Rohstoffen. Die andere Seite: Batterien sind recyclebar. Und: Das E-Auto hat für unseren Planeten eine deutlich bessere Bilanz als ein Verbrenner. E-Mobilität hat Schwächen – aber es ist aktuell der beste Weg und es gibt noch viel Optimierungspotenzial, zum Beispiel können wir die Menge an seltenen Metallen noch stark reduzieren. Der Verbrenner ist End-optimiert.
Als Investor sind Sie viel unterwegs. Wie klimafreundlich ist Ihre persönliche Mobilität?
Ich fahre E-Auto und tanke zu 100 Prozent grünen Strom. Ein Freund der Bahn bin ich nicht, weil ich Pünktlichkeit, Komfort und Bezahlung verbesserungsbedürftig finde. Die Zahl meiner Flüge versuche ich durch Videokonferenzen zu reduzieren. Ist ein Flug unvermeidbar, dann kompensiere ich die Emissionen durch finanzielle Unterstützung für Klimaprojekte. Das ist nicht ideal, denn das CO₂ wurde trotzdem freigesetzt. Ich will das Klima schützen – aber ich muss auch meinen Job machen und kann mit meinen Investments in grüne Tech-Start-ups hoffentlich mehr bewegen als mit radikalen Einschränkungen.
Vor kurzem sind Sie bei der „Höhle der Löwen“ ausgestiegen, um mehr Zeit für Ihre Tech-Beteiligungen zu haben. Warum?
Die „Höhle der Löwen“ war eine tolle Zeit – ich bin dankbar, dass ich dabei sein durfte. Trotzdem habe ich mir überlegt: Was mache ich in den nächsten zehn Jahren? Ich bin überzeugt, dass wir im kommenden Jahrzehnt so tiefgreifende Veränderungen erleben, wie noch nie zuvor in so kurzer Zeit. Die Technologien sind bekannt – von Blockchain über 3D-Druck bis zu 5G, Quantencomputing und KI. Ich spreche gern vom Baukasten der Zukunft. Ich will mich auf Produkte konzentrieren, die diese Technologien nutzen – und die unser Leben auf diesem Planeten nachhaltiger, sicherer und besser machen.
Zur Person
Frank Thelen ist ein europäischer Gründer und Technologie-Investor. Bekannt wurde er durch das TV-Format „Die Höhle der Löwen“. Der 44-Jährige hält unter anderem Beteiligungen an Mobilitäts-Start-ups wie Lilium Aviation und Hardt. Seinen Firmensitz und Lebensmittelpunkt hat der bekennende Tesla-Fan in Bonn.
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